Nichtarbeitslose Stellensuchende
Dass die Statistik der Arbeitslosenversicherung langst nicht das ganze Ausmass der Erwerbslosigkeit in der Schweiz ausweist, ist mittlerweile bekannt: Gezahlt werden nur jene ohne Job, die bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet sind. Wer ausgesteuert ist, wer als langzeitarbeitslose Person Sozialhilfe bezieht oder wer bei der Invalidenversicherung nur eine Teilrente bekommt, seine sogenannte Resterwerbsfähigkeit aber nicht nutzen kann, wird in der Regel von dieser Statistik nicht erfasst. Fachleute schatzen darum, dass die Arbeitslosenversicherung nur etwa für die Hälfe der Erwerbslosen zuständig ist.
Kaum bekannt ist aber, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft eigentlich nicht die Arbeitslosen, sondern die Stellensuchenden erfasst. Und nur wenige wissen, dass diese Gruppe dann nochmals in arbeitslose Stellensuchende und nichtarbeitslose Stellensuchende unterteilt wird. Wenn Monat far Monat die «Zahl der Arbeitslosen» kommuniziert wird, dann sind damit nur die arbeitslosen Stellensuchenden gemeint. Die Unterschiede sind beträchtlich, wie ein Buick auf die Daten vom März dieses Jahres zeigt: Ausgewiesen wurden in diesem Monat 204 266 Stellensuchende und 145 108 Arbeitslose. Somit gab es auch 59 158 nichtarbeitslose Stellensuchende. Diese machen rund 30 Prozent aller Stellensuchenden aus.
Worin unterscheiden sich diese beiden Kategorien? Arbeitslose sind Personen, die bei den RAV gemeldet sind, keine Stelle haben und sofort vermittelbar sind. Beziehen sie Taggelder, sind sie dazu angehalten, aktiv nach einem Arbeitsplatz zu suchen. Nichtarbeitslose Stellensuchende sind ebenfalls bei den RAV gemeldet, sind jedoch entweder nicht sofort vermittelbar oder aber verfügen im Moment über eine Arbeit. Dieser Sachverhalt ist erklärungsbedürftig.
15 Prozent der nichtarbeitslosen Stellensuchenden befanden sich im März 2015 in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung. Dies können Berufspraktika in Unternehmen und in der Verwaltung oder Motivationssemester für Schulabgängerinnen und -abgänger sein. Weitere 31 Prozent gehörten zur Gruppe der «übrigen nichtarbeitslosen Stellensuchenden». Diese umfasst alle Personen, die schon wahrend der Kündigungsfrist bei den RAV gemeldet sind, aber auch jene, die wegen Krankheit, Militärdienst oder Mutterschaftsurlaub nicht sofort vermittelbar sind.
Die grösste Kategorie bei den nichtarbeitslosen Stellensuchenden mit einem Anteil von 51 Prozent waren aber jene, die sich in einem Zwischenverdienst befanden. Diese Personen sind quasi als Temporärarbeitskräfte in Firmen erwerbstätig, ohne eine dauerhafte Anstellung zu haben. So verbleiben sie im Arbeitsmarkt, können ihre Fähigkeit erhalten und ihre Erfahrung ausweiten. Allerdings ist der Zwischenverdienst nicht freiwillig. Im Rahmen der Schadenminderungspflicht müssen Stellensuchende solche Arbeiten annehmen, wenn diese als ihnen zumutbar eingestuft werden.
Bleibt die letzte Kategorie innerhalb der nichtarbeitslosen Stellensuchenden, nämlich jene, die sich in einer «intensiven Umschulung» oder einer «intensiven Weiterbildung» befinden. Diese Gruppe macht erstaunlicherweise gerade mal 4 Prozent aus. Man darf sich fragen, ob die Arbeitslosenversicherung damit genügend Aufwand betreibt, um Langzeitarbeitslosigkeit und Aussteuerung zu vermeiden.
Übrigens: Im März 2015 betrug die Arbeitslosenquote 3,4 Prozent. Hatte man eine Stellensuchenden-Quote kommuniziert, wäre diese bei 4,7 Prozent gelegen.
Carlo Knöpfel (c.knoepfel, vereinsurprise in ch)
Strassenmagazin Surprise [2015-05-22]