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Englische Helvetismen

© George Blythe, Weltwoche vom 16-juni-1997
George Blythe ist gebürtiger Brite und lebt in Therwil bei Basel.

Wir zahlen Einkäufe mit der «Postcard», zücken zum Telefonieren die «Taxcard» oder benutzen «Handys»: Trotzdem stimmt etwas nicht.

Wenn der Tageshit gar keiner ist

Als englischsprachiger Redaktor war es lange Zeit mein fester Glaube, ich sei der englischen Sprache einigermassen mächtig. Weit gefehlt! Erst nach vielen Jahren in der Schweiz ging mir auf, dass meine Kenntnisse dieser Sprache extrem mangelhaft sein könnten.

Nehmen wir zum Beispiel das Wort Postcard. In unserer Jugend haben wir Postcards gekauft, einen schönen Gruss draufgeschrieben und sie verschickt. Die Schweizerinnen und Schweizer haben ihren Kontokarten bei der Post denselben Namen gegeben. Bringe ich vielleicht etwas durcheinander? Bitte, wie heisst denn«Ansichtskarte» auf englisch? Habe ich vielleicht jahrelang ein falsches Wort dafür verwendet ?

Das gleiche gilt für die Taxcard. Ich habe das Wort vorher nie im Englischen angetroffen; meine Kenntnisse dieser Sprache scheinen wirklich miserabel zu sein. So nahm ich an, sie habe etwas mit Steuern zu tun. Nein, nein! Jeder weiss, dass man mit einer Taxcard hierzulande nur telefonieren kann. Bei meinem letzten Besuch in England habe ich zu diesem Zweck eine Phonecard gekauft. Das Wort stand wirklich auf der Karte oder habe ich es nur geträumt?

Es gibt eine Reihe ähnlicher Verirrungen in meinem Kopf: Dürfen in einem Schweizer Carpark Autos parkieren? Nein, nur Autobusse! Trainers sind doch Schuhe zum Joggen, Turnen, und so weiter, nicht? Ach wo! In der Schweiz versteht man darunter Sportanzüge – die aber haben wir Engländer wohl irrtümlicherweise immer Tracksuits genannt.

Dann gibt es da noch diese Gruppe englischer Wörter, die mit deutschen Begriffen «zwangsverheiratet» sind. Schöne Kinder sind daraus geworden: zum Beispiel der Tageshit im Restaurant oder der Monatshit in einem Geschäft. Da aber die Buchstaben s und h in meinem Englisch zusammenschmelzen zum deutschen sch, sehe ich, wo die Schweizer einen Hit ankündigen möchten, nur shit. Sorry.

Doch man darf deswegen nicht Minderwertigkeitskomplexe entwickeln. Ich habe zunächst gedacht, Handy sei ein englisches Wort, dessen Mehrzahl Handies heissen sollte wie Baby, Babies. Ach, alles, was wir in der Schule gelernt haben, war falsch! Schiere Zeitverschwendung, diese ganze Grammatiklehre. Handys heissen die Telefone hier ganz einfach. Ich weiss, warum: Das Wort ist überhaupt nicht englisch; es stammt aus dem Schwäbischen: «Hän dy koi Schnur?».

Derweil bleiben die Engländer konservativ und imponieren einander nur mit mobile phones oder hand-held phones. Das schweizerisch-schwäbische Wort bekommt in England keine Chance auf Einbürgerung!

 

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 URL:  Created: 1997-11-06  Updated:
© Weltwoche, Basel    
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